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Das Web und die Angst

von 19. Januar 2011 2 Kommentare

„Fearmongering“ ist ein Begriff aus dem Englischen, der jene Handlungen von Medien und Regierungen auf den Punkt bringt, die dazu angelegt sind, dem Volk Angst einzujagen. Eine Hochzeit erlebte das „Angstverkaufen“ nach den AnschlĂ€gen von 9/11. Nachdem man sich an die stĂ€ndigen Terrorwarnungen und AmpelfarbenĂ€nderungen (Alarmstufe Dunkelorange) nun von Seiten der Bevölkerung langsam gewöhnt hat, schien es offenbar höchste Zeit gewoden zu sein als wirksames Regierungsmittel (Ausnahmezustand als Machterhaltungsmittel) ein neues drohendes Unheil zu finden.

NatĂŒrlich ist es das Web. Oder das Internet. Dass beide nicht dasselbe sind, ist hier nebensĂ€chlich, denn es kommt lediglich darauf an, dass man endlich etwas gefunden hat, was zwar die Lebenswelt eines Großteils der Einwohner in Industriestaaten durchdringt und beeinflusst, gleichzeitig aber immer noch so diffus und magisch ist, dass viele damit nicht wirklich etwas anfangen können, geschweige denn sich ĂŒberhaupt sicher sind, wo das Web eigentlich anfĂ€ngt oder endet.

Diese Eigenschaften machen es zu einem optimalen Kandidaten fĂŒr „Fearmongering“ und seit Wikileaks den Regierenden der Welt, insbesondere den USA gehörig Dampf unter dem Hintern gemacht hat, schlĂ€gt das „Angstimperium“ mittlerweile eindrucksvoll zurĂŒck.

GefĂ€hrlich sei das Web und ĂŒberhaupt, man könne nie wissen, was da drinnen ĂŒber einen kursiert, die Medien – auch so genannte QualitĂ€tsmedien – springen gern auf den Paranoiazug auf und machen sich somit zum Handlanger jener Regierungen, die sich durch die jĂŒngsten Ereignisse in ihrer Freiheit zu tun und zu lassen, ohne dem BĂŒrger darĂŒber Rechenschaft abzuliefern, gestört fĂŒhlen.

Man mag mir vorwerfen, dass ich in Bezug auf meine ersten beiden EintrĂ€ge selbiges betrieben habe – der Hinweis auf Geheimverhandlungen in Bezug auf ACTA oder das dubiose Spitzelprogramm INDECT. Das ist es jedoch nicht. Ich weise auf staatliche oder internationale Bestrebungen hin, die darauf angelegt sind, sich Daten und Informationen ĂŒber die BĂŒrger und BĂŒrgerinnen zu verschaffen, Kontrolle auszuĂŒben und letztlich Strafen zu verhĂ€ngen. Dagegen muss und sollte man sich als aufgeklĂ€rte BĂŒrgerin zur Wehr setzen.

Anders hingegen verhĂ€lt es sich jedoch, wenn Angst- und Panikmache von Regierungen (mit Hilfe der Medien) betrieben wird, um eben erwĂ€hnte RechtseinschrĂ€nkungen durchzusetzen. Dass man es mit dieser Angstmaschinerie leicht hat, erklĂ€rt sich aus den bereits erwĂ€hnten QualitĂ€ten des Web – die Wenigsten kennen sich wirklich genau damit aus, die meisten nutzen es unbedacht und verlassen sich auf anwenderfreundliche Programme.

Da ĂŒberrascht es dann nicht, dass man im Spiegel ĂŒber Datenkraken und sonstige Monster berichtet (hier eine dazu veröffentlichte Replik), im Standard entblödete sich ein mir bis dato nicht bekannter „Experte“ sogar den zukĂŒnftigen Denunziantenstaat auszurufen.

Was macht man also wenn die Angst um sich greift, man bedient sich, so wie es sein sollte, seines hoffentlich noch vorhandenen Hausverstandes. Es geht wohl um die (Re-)Aktivierung eines sogenannten „Bullshit-Filters“. Jeder weiß mittlerweile, dass sich im Web allerlei Absurdes, Unglaubliches, Gefaktes findet, wer also skeptisch gegenĂŒber Informationen, die im Web kursieren ist, der muss diese Skepsis bloß auch auf Zeitungen und TV ausdehnen. Nicht alles was man – selbst in sog. QualitĂ€tsmedien – liest muss man so wie es dort transportiert wird glauben.

Und bevor man Daten ĂŒber sich selbst Preis gibt, lohnt es sich, sich die Frage zu stellen, ob man sich noch wohl fĂŒhlen wĂŒrde, wenn dieses Foto, oder jenen Tweet auch die Chefin oder der Rest der Welt sieht bzw. liest. Selbst dann, wenn Informationen mit Passwörtern geschĂŒtzt werden, oder der benutzte Dienst „absolute Vertraulichkeit“ verspricht.

DarĂŒber hinaus sollte man neben der ganzen Hysterie – insbesondere jene, die mit billigen, schlecht recherchierten Informationen und von selbst ernannten Experten betrieben wird, nicht vergessen, dass das Web in erster Linie etwas sehr sehr positives ist. Wir können uns damit ĂŒber den Globus in sekundenschnelle vernetzen, Informationen teilen und Wissen verbreiten. Und viel mehr, wir haben erstmals seit vielen Jahren wieder die Möglichkeit Informationen darĂŒber zu verschaffen, was Staaten und Regierungen, in Demokratien, mit unserem Geld machen, wen sie hinter vorgehaltener Hand decken und welche Kriege damit angezettelt oder gefĂŒhrt werden. Das ist, meiner Meinung nach nicht Angst einflĂ¶ĂŸend, sondern ermutigend!

Ein diesbezĂŒglicher Lesetipp fĂŒr alle die des Englischen mĂ€chtig sind: Tim Berners-Lee (sozusagen „Erfinder“ des WWW) zum Thema „Long Live the Web„.

Digitalks Anmerkung: Gastbeitrag geschrieben von Susanne Zöhrer in der Kategorie „Medien, Technologie und die Demokratie“.

Credits Teaser Foto http://commons.wikimedia.org/wiki/File:CERO_fear.png

2 Kommentare »

  • Netter Beitrag.

    Das Web musste ja schon als SĂŒndenbock fĂŒr fast alles herhalten. Ich bin trotzdem froh, dass wir es so nutzen können.

    Viele der Kritiker des Web verstehen auch wenig von dem, was sie kritisieren. Auch bei wissenschaftlichen Veranstaltung werden immer mehr allgemeine Kritiken, zB gegen Facebook vorgetragen, meist von Personen, welche gar kein Profil darauf haben und auch niemals hatten.

    PS: Wer keine Lust hat, den engl. Beitrag von TBL zu lesen.

    Auf meinem Weblog habe ich eine kurze Zusammenfassung in Deutsch von „Long Live the Web“ erstellt:
    http://www.alexanderstocker.at/2010/12/die-prinzipien-des-web-nach-tim-berners.html

  • Susanne sagt:

    @Alexander – danke fĂŒr den Link. Ich stimme dir zu, dass viele BeitrĂ€ge zu diesem Thema von Leuten stammen, die absolut keine Ahnung von der Materie haben. Das Problem ist leider, dass QualitĂ€tsmedien durch den Abdruck derlei Unsinns auch noch fĂŒr die großflĂ€chige Verbreitung dieses Nichtwissens sorgen.