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Gedanken zu Social Media Nutzung von Jugendlichen

von 18. November 2010 9 Kommentare

In letzter Zeit hĂ€ufen sich die Einladungen zu VortrĂ€gen und Podiumsdiskussionen zu Social Media. Vorige Woche war ich bei dem Vortrag „Facebook, Twitter, Blogs & das Gruppentier Mensch“ von der Sichtart-Beratung eingeladen, als Special Guest zu den aufgeworfenen Fragen Stellung zu nehmen. Den ausfĂŒhrlichen Bericht können Sie im Sichtart Blog lesen. Und heute war ich Gast bei einer Podiumsdiskussion zum Thema „Medien & Migration, zwischen Tradition und Innovation“ bei der ecoMIGRA die Fachmesse fĂŒr wirtschaftliche und kulturelle Beziehungen.

Bei beiden Veranstaltungen kam das Thema zwischenzeitlich auf die Jugendlichen, und wie sie die neuen digitalen Medien bzw. Social Networks benutzen. Der allgemeine Tenor, höre ich auch bei anderen Veranstaltungen lautet: „Wir sollen die Jugendlichen wachrĂŒtteln, was sie auf Social Networks (meistens ist Facebook damit gemeint) veröffentlichen, und das alles was sie veröffentlichen, gegen sie verwendet werden kann.“ Da ich selber nicht mehr in diese Gruppe falle, kann ich meine Aussagen nur als Beobachterin tĂ€tigen und nur auf meine Erfahrungen beruhen. Aus meiner Perspektive gibt es kein Grund zur Sorge, die Jugendlichen wissen wohl was sie tun. Sie probieren Dinge aus, sie lernen Dinge kennen, eben aus einem anderen Trieb heraus und mit anderen Inhalten. Wenn ich den Menschen zuhöre, die Jugendliche aufklĂ€ren wollen, damit sie ja keine Dummheiten auf Facebook und Co posten, die dann ihre Jobchancen gefĂ€hrden, frage ich mich eines. Wo ist die Grenze? Wer entscheidet was legitim ist, auf Facebook zu posten, sind meine Urlaubfotos ok, aber die Fotos mit alkoholischen GetrĂ€nken nicht ok, sind meine Aussagen ĂŒber bestimmte politische Parteien oder Geschehnisse ok, aber meine sexuelle PrĂ€ferenz nicht ok? FĂŒr ein Unternehmen kann genau das eine problematisch sein, fĂŒr das nĂ€chste etwas anderes, was bleibt dann ĂŒberhaupt noch ĂŒber? Gibt es da eine Möglichkeit, auf einen Konsens zu kommen? Ich glaube nicht. Da diese Erlebnisse auf Facebook und Co gepostet sind, heisst das, dass sie auch erlebt wurden. Also der Mensch, der sie erlebt hat, ist der gleiche, wenn sie ihn zum BewerbungsgesprĂ€ch einladen, ob sie nun seine Fotos gesehen haben oder nicht. Er ist und bleibt der gleiche. Nur Sie kennen in einem Fall seine Fotos, in dem anderen Fall, wenn er sie nicht gepostet hat, nicht. Was Ă€ndert sich an Ihrer Entscheidung, der Mensch den Sie einstellen wollen, ist der gleiche. Oder glauben Sie, wenn Sie diesen jungen Menschen einstellen, dass seine frĂŒhere TĂ€tigkeit auf Social Media auf Ihr Unternehmen abfĂ€rbt und Sie in einem schlechten Licht stehen lĂ€sst? Haben Sie davor Angst?

Ich glaube, wir bewerten andere zu stark durch unsere eigenen MaßstĂ€be und können die Toleranz nicht aufbringen, dass es anders denkende und lebende gibt. Wenn ich mich so umschaue, was wir alles den Jugendlichen vorschreiben, „dies sollen sie nicht tun, jenes sollen sie unterlassen, das könnte gefĂ€hrlich werden, jenes könnte ihnen schaden“. Sind wir nicht die jenigen, die diese Kriterien aufstellen, wer sagt das, dass wir Recht haben. Ich glaube, wir sollten eher Angst haben, um unsere Zukunft und nicht um deren Zukunft. Wenn wir nicht mehr mitbekommen, was sie so neues erfinden und wie sie sich vernetzen und wie sie mit Online-Medien umgehen. Oder, können wir etwas fĂŒr die Sensibilisierung unternehmen, ohne gleich den Zeigefinger hochzuheben, was meint ihr?

Teaserfoto credits Mr. Topf

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9 Kommentare »

  • sue sagt:

    super artikel. sehe es genau so wie du.
    was ich noch ergÀnzen möchte: diese jugendlichen sind die die irgendwann in der zukunft wiederum leute einstellen werden und sich dann wohl andere gedanken machen werden als nachzuschauen ob es irgendwelche sauffotos auf facebook gibt. und wie du schon schreibst, was wenn ja, ist das ein nicht-einstellungs-grund?
    außerdem gibt es bei jugendlichen auch das andere extrem, die sehr kontrolliert ihre informationen veröffentlichen oder eben löschen. ich sag nur „white walling“ oder „super-logoff“ auf facebook, das ich auch sehr spannend finde, auch wenn ich es nicht machen wĂŒrde. http://www.allfacebook.com/teens-find-innovative-ways-to-control-their-facebook-presence-2010-11

  • Walter sagt:

    Hallo Meral!

    Was mir diese Woche aufgefallen ist: Das Thema ist plötzlich medial prÀsenter, nicht weil irgendwas schlimmes passiert wÀr, sondern weil eine neue EU-Studie und dazupassende Pressemeldungen zirkulieren.

    Vor mehr als zwei Jahren hab ich einen Vortrag zu dem Thema gehalten und ich hab das GefĂŒhl, bis heute hat sich eigentlich nicht viel geĂ€ndert (außer dass es jetzt zu dem Thema auch eine EU-Studie gibt, die man als Quelle nehmen kann und nicht nur US-Studien).

    Wen das Thema interessiert, sollte sich die Arbeiten und das Blog von Danah Boyd (http://www.danah.org/ und http://www.zephoria.org/thoughts/) anschauen, das ist fĂŒr mich die seriöseste Quelle in dem Bereich.

    GrundsĂ€tzlich glaub ich kann man sagen: Ja, natĂŒrlich existiert ein bestimmtes „Risiko“, wenn man persönliche Daten im Netz publiziert bzw. sich mit Leuten trifft, die man nur aus dem Netz kennt. Aber Risiko ist nicht gleich Schaden. Das ist wie mit Versicherungen: Auch wenn dich eine private Krankenversicherung aus bestimmten GrĂŒnden nicht versichert, heißt das nicht automatisch, dass du krank wirst.

    Danah Boyd sagt glaub ich so im Groben: Das Internet an sich ist nicht fĂŒr Jugendliche gefĂ€hrlich, aber es ist ein medialer Filter bzw. ein Ventil, das tabuisierte Probleme/Themen aufzeigt und transparent macht. Mobbing und PrĂŒgeleien gibt es auch ohne Netz, wenn sie nicht mit dem Handy gefilmt werden, finden sie trotzdem statt (verkĂŒrzt gesagt, natĂŒrlich hat das Netz als Medium auf das Geschehen auch wieder einen rĂŒckwirdenden Sogeffekt).

    Liebe GrĂŒĂŸe,
    Walter

  • Meral sagt:

    Danke @Walter, ich sehe auch, dass wir vor einer grĂ¶ĂŸeren gesellschaftlichen Verantwortung stehen, und „nur“ die Facebook-Nutzung zu bekritteln wĂ€re hier sicher zu kurz gegriffen. Danah Boyd’s Blog ist fĂŒr mich auch eine Quelle, die ich öfter durchsuche.

    @Susanne, danke fĂŒr die Links, der Auslöser fĂŒr die Debatte war die Nachricht vom Sommer, wo Eric Schmidt die Idee hatte „jugendliche könnten ja mit 18 ihren Namen Ă€ndern“
    http://www.netzpolitik.org/2010/datenschutz-problem-geloest-einfach-mal-den-namen-aendern/

  • i couldn’t agree more!

  • WĂŒrde Walter zustimmen. Es ist ja auch so, dass wir „Alten“ ja gar nicht sagen können, was in 10 Jahren dann als schlimm angesehen wird, da wir ja in einem Riesenumbruch stecken. Ich denke mal, die Gesellschaft wird sich dran gewöhnen und damit auch ein wenig toleranter werden.

    Weniger PrivatsphĂ€re muss ja auch nicht schlecht sein, dadurch lernt man ja schliesslich auch viele neue, interessante Leute kennen. Ansonsten wĂŒrde ich auch sagen, dass die Probleme nicht so sehr andere sind, auch frĂŒher sollte man als Kind nicht jeden ins Haus lassen und an fĂŒr mich angeblich schĂ€dliche Inhalte bin ich auch gekommen.

    Und auch heute schauen Personalchefs im ĂŒbrigen nicht unbedingt auf Sauffotos 😉
    Und selbst wenn, wĂ€re es ja sinnvoll, den Jugendlichen beizubringen, wie man Personal Branding macht, also sone Art Personal SEO. Wenn nur das eine Saufbild existiert, sieht man das natĂŒrlich, wenn aktuellere Dinge zu finden sind, dann schaut man meist auch nicht mehr weiter. Wichtig ist daher eher, dass man klar macht, dass man eben ein öffentliches Image pflegt. Das sollte man immer im Hinterkopf haben.

    Im Zweifel haben Jugendliche das aber eh schon intus. Aus Fehlern werden sie schnell lernen (und ist es bestimmt viel schlimmer, wenn jemand falsches aus der Klasse irgendwas sieht) und von daher gibt es vielleicht auch gar kein Problem.

  • Meral sagt:

    @Christian ich denke auch, dass wir die Sensibilisierung eher erreichen, indem wir selbst unsere Werte weiterleben und zeigen, was uns wichtig ist, aber nicht aufzwingen, dass alle anderen es auch so machen mĂŒssen.

  • Leo sagt:

    Sehr lesenswerter Post Meral! Ich wĂŒrde sogar noch einen Schritt weitergehen. Wir wissen nicht nur was wir (Jugendlichen) jetzt tun. Es entsteht auch ein besseres VerstĂ€ndnis zwischen den Generationen. FacebookaktivitĂ€ten bilden einen sehr breit aufgestellten Channel, der viel eher an die RealitĂ€t herankommt. Ich bin froh nicht mehr aus der Zeitung lesen zu mĂŒssen was die Jugendlichen denn jetzt machen, wer sie sind, oder wohin sie sich entwickeln. I can have a look myself 😉

  • daniela sagt:

    da bin ich ganz bei dir, meral.
    jedoch: individuelle rahmenbedingungen vorzugeben ist meiner meinung nach anfangs unerlÀsslich. die unendlichen möglichkeiten der sozialen netzwerke sind einfach zu verlockend.

  • Meral sagt:

    Danke Leo und Daniela, ob Social Media zu einem besseren VerstĂ€ndnis zwischen den Generationen fĂŒhrt, kann ich noch nicht bezeugen, wenn das stimmt, wĂ€re das sicher ein sehr gutes Argument gegenĂŒber den „Social Media Verweigerern“.